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Toleranz, Hoffnung und Gerechtigkeit

Sieg der Bürgerlichen über die Bürger!


Eine Kommentierung der Bundestagswahl von team aknw ivs.

Deutschland hat gewählt. Ganz Deutschland? Nein, nur 72,2% der Deutschen sind zur Wahl gegangen. Das ist ein neuer Tiefstand in der Geschichte der Bundesrepublik. Die geringe Wahlbeteiligung ist darauf zurückzuführen, dass dieses Mal keine der angetretenen Parteien ein Programm anbieten konnte, welches die Nichtwähler überzeugt hätte. Allen voran die Sozialdemokraten haben zur niedrigen Wahlbeteiligung beigetragen. Größter Gewinner der Wahl ist die FDP. Von der Opposition in die Regierung, und das mit einem Stimmenzuwachs von 4,8%. Die Union aus CDU und CSU hat zwar insgesamt 1,3% verloren, stellt aber im neuen Bundestag, mit 239 Sitzen, die mit Abstand größte Fraktion. Durch die vielen gewonnen Direktmandate, hat die Union sogar einen absoluten Zuwachs von 13 Sitzen. Die Mehrheit der linken Parteien in Deutschland ist dahin. Nun regieren die Bürgerlichen. Was die nächsten vier Jahre bringen werden, wird sich zeigen. Immerhin gibt es keine Mehrheit im Bundesrat, und so wird es schwierig, die ganz großen Themen anzupacken. Doch Westerwelle hat Pläne mit der Republik.

Leistung soll sich wieder lohnen. Konkret bedeutet das bei den Liberalen: Lockerung des Kündigungsschutzes, Schwächung der betrieblichen Mitbestimmung, Ausweitung des Niedriglohnsektors, Privatisierung des Gesundheitswesens und Senkung der Hartz IV Sätze. Wer sich kein Brot mehr kaufen kann, wird eher eine Arbeit annehmen. Egal wie menschenunwürdig oder schlecht bezahlt sie ist. Das „neue Deutschland“ wird ein Land der Leistungsträger und Eliten. Wer nicht mithalten kann, bleibt zurück. Das ist Fortschritt nach liberaler Art. Doch es regt sich Widerstand auf Seiten der Union. Die Union, allen voran die CSU, als Retter des Sozialstaates? Schwer vorstellbar.

Ebenfalls schwer vorstellbar ist, dass die FPD die Bürgerrechte gegen die Union verteidigt. Das BKA-Gesetz, der Einsatz der Bundeswehr im Inneren, Lauschangriff, Vorratsdatenspeicherung und biometrischer Fingerabdruck im Personalausweis. Verteidigt uns Westerwelle gegen den Überwachungsstaat? Eher verteidigt die Bundeswehr Deutschland am Hindukusch. Was im linken Lager bleibt ist die Erkenntnis, dass die Partei „die Linke“ nicht alle Stimmverluste der SPD auffangen kann und, dass die Grünen ihr Wählerpotenzial mit ca. 11% ausgeschöpft haben. Die Zukunftsfähigkeit eines Bündnisses jenseits der CDU/FDP braucht eine starke SPD. Doch wieso hat die SPD so stark verloren? Wieso konnten die Wahlkämpfer der SPD nicht, wie in den vergangenen Wahlen, die Klientel an die Wahlurnen locken?

Die Erkenntnis, dass der (linke) Wähler dem Totschlag-Argument „Ohne uns kommt alles noch viel schlimmer“ nicht folgt, ist noch nicht bei allen Sozialdemokraten angekommen. Die Nerven der Wähler wurden mit der Rente mit 67, der Hartz IV Gesetzgebung, der Praxisgebühr und den Ein-Euro Jobs zu sehr strapaziert. „Ohne uns kommt alles noch viel schlimmer“ war nicht mehr vorstellbar. Seit einigen Tagen gibt es einen Richtungsstreit. Nach links oder in der Mitte bleiben ist die Frage, mit der sich die Spitzensozis auseinandersetzen. Die Antwort haben die Wähler am 27.09 bereits gegeben. Die neue Mitte wurde auf ganzer Linie abgestraft. Frank Walter Steinmeier hat das schlechteste Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte der Sozialdemokratie eingefahren. Doch an Rücktritt, Demut oder gar an eine Umkehr denkt er nicht. 10 Minuten nachdem diese historische Niederlage feststeht, meldet er, unter dem Jubel der Anwesenden im Willy-Brandt-Haus, seinen Anspruch auf den Fraktionsvorsitz an. Nichts gelernt, Herr Steinmeier! Setzen, sechs!

Der neue Parteivorsitzende wird im Hinterzimmer von einer kleinen Clique gekürt, die Stellvertreter gleich mit. Das Parteiprogramm sowieso. Wer braucht schon eine Basis. Dies sind die Gründe, warum die einst mitgliedsstärkste Partei Deutschlands nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Die Angst vor einer inhaltlichen Diskussion wird deutlich, wenn man sieht, wie mit dem Hinweis auf die Geschlossenheit jeder Kritiker mundtod gemacht wird. Doch so wird es nicht weitergehen. Zu viele Wähler hat die Partei vor den Kopf gestoßen. Sie ist zu weit gegangen mit der Zensur der eigenen Mitglieder. Entweder, die Basis erhebt sich und ein Sturm der Entrüstung bricht los, oder die Basis wendet sich resigniert ab. Das Erste dürften die wenigstens Spitzengenossen überleben. Das Zweite dürfte die Partei nicht überleben.

– team aknw ivs

Oktober 8, 2009 - Posted by | Überlegungen

1 Kommentar »

  1. In dem Kommentar steht sicher viel richtiges, aber: vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Wählerinnen und Wähler den „Bürgerlichen“ einfach eher zutrauen Jobs zu schaffen und vor allem für eine stabile Regierung zu stehen. Eine stabile Mehrheit RRG war diesmal halt nicht vorstellbar (und auch nicht drinn). Bezeichnend, dass die SPD fast genauso viele Stimmen an Union und FDP verloren hat wie an die Linke. Die war übrigens für 2 Millionen Wähler keine Alternative und blieben daheim.

    Aber monokausale und eindimensionale Erklärungsansätze haben ja auch ihren Reiz….

    Kommentar von hs | Oktober 13, 2009 | Antworten


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